Auch wenn die Siegerinnen praktisch schon vor dem ersten Dropkick feststanden – die Deutsche Meisterschaft der Frauen-Landesverbände im Siebener-Rugby beim 1. FC Hersbruck war das erwartete Highlight und zugleich die perfekte Werbung für die in der Cittaslow gerade im Aufbau befindliche Sportart.

 

Die mit zahlreichen Bundesliga- und Nationalmannschaftsspielerinnen vom Serienmeister Heidelberger RK (dem ältesten, 1872 gegründeten Rugbyverein Deutschlands) und dessen Lokalrivalen SC Neuenheim gespickte Auswahl Baden-Württembergs ließ schon im ersten Spiel gegen Berlin keinen Zweifel an ihren Titelambitionen: Mit 48:0 schickten sie die Mädels aus der Hauptstadt nach den zweimal sieben Minuten vom Feld, der sechste Erfolg in dem seit 2013 ausgetragenen Wettbewerb zeichnete sich da schon ab.

Einzig die bayerische „Nationalmannschaft“ – die zum Auftakt die Vertretung aus Nordrhein-Westfalen souverän mit 31:0 in die Schranken gewiesen hatte – schien den in ihren Landesfarben Gelb und Schwarz gewandeten „Wespen“ den Titel streitig machen zu können. Allerdings musste eine ihrer Schlüsselspielerinnen nach nicht einmal einer Minute mit einer schweren Knieverletzung vom Platz – ein herber Verlust.

Trotzdem glaubten Bayerns Frauen – die den Wettbewerb 2019 gewonnen und im Vorjahr im Finale gestanden hatten – an ihre Chance. Im wohl besten Spiel dieses Samstagnachmittags wehrten sie sich tapfer gegen die amtierenden Titelträgerinnen, die mit schnellen Ballstafetten, spektakulären „Offloads“ (die nur nach hinten erlaubten Pässe) und sicheren Tackles glänzten. Bis zur Halbzeit hielten sie ziemlich gut mit, dann aber eilte Baden-Württemberg davon. Immerhin: Kurz vor Schluss legte Bayern zum 34:5 noch einen Versuch – den einzigen, den die hart zupackenden „Wespen“ überhaupt zuließen.

Mit ihrem ebenso ungefährdeten 53:0 gegen die von Beginn an heillos überforderten Rugbyfrauen aus Nordrhein-Westfalen – die schon 20 Sekunden nach Kickoff den ersten Versuch zulassen mussten – machten sie ihren erneuten Meisterschaftsgewinn perfekt. Bayern blieb nach einem ebenso souveränen 32:0 gegen Berlin wie schon 2017, 2018 und 2021 nur der Vizemeistertitel.

Volkssport in der halben Welt

Die Fans an der Seitenlinie hatten dennoch ihren Spaß. Englischlehrer Ralph Schmidt freute sich über die mehr als gelungene Werbung für „sein“ Rugby. Seit längerem versucht er den dynamischen „Ableger“ des frühen Fußballs, der in den Ländern des ehemaligen britischen Kolonialreichs, in der Südsee und in Südamerika als Volkssport gilt und hierzulande eher ein Nischendasein fristet, den Schülern des Paul-Pfinzing-Gymnasiums näher zu bringen.

„Bei den Jungs ist das eher schwierig“, sagt er. Die seien meist schon länger bei einem Fußballverein oder den Handballern. „Dafür sind die Mädchen offener“, hegt er leise Hoffnungen, wenigstens da noch die ein oder andere überzeugen zu können. Dazu kommt, dass viele Rugby für einen Sport halten, der vor allem aus Keilereien besteht. Dem aber sei nicht so, sagt Schmidt: „Das ist kein Raufspiel, sondern vor allem ein Laufspiel.“ Das gilt besonders für das seit 2016 olympische 7er-Rugby, das wegen der kleineren Spielerzahl (statt der sonst üblichen 15) bei gleicher Feldgröße den Schwerpunkt auf technisch anspruchsvolles Kombinationsspiel und hohes Tempo legt.

Das hörte Alexander Michl nur zu gerne. Der Vorsitzende des Vereins zur Förderung des Rugbysports im Nürnberger Land und Leiter der entsprechenden Abteilungen beim TV Lauf und 1.  FC Hersbruck lässt nichts unversucht, kräftig die Werbetrommel zu rühren, um „seinen“ Sport hier noch populärer zu machen. Die DM in die Cittaslow zu bekommen, war da nur der neueste Coup des ehemaligen Bundesligaspielers: Bislang wurde das Kräftemessen der Auswahlmannschaften aus den deutschen Landesverbänden stets in Rugby-Hochburgen wie Berlin, Würzburg oder Heidelberg ausgetragen.

Weil die Teams aus Hessen (wegen einer ganzen Reihe von Coronainfektionen) und Thüringen kurzfristig zurückzogen, mussten er und die Offiziellen vom Rugbyverband zwischen den laufintensiven und deshalb kraftraubenden Spielen sehr zu seinem Missfallen immer wieder längere Pausen einschieben, um den Frauen die nötigen Verschnaufpausen zu gönnen.

Elfi Wagner war das gerade recht. Die Hersbruckerin hatte in der HZ über die Deutsche Meisterschaft gelesen und wollte sich die Chance nicht entgehen lassen, Rugby einmal live zu sehen. Weil gerade nichts los war auf dem früheren B-Platz der Eintracht, radelte die Ruheständlerin kurzerhand ins Strudelbad, drehte ein paar Runden und kam danach wieder, genau rechtzeitig für die letzten Partien. Und war begeistert: „Ein toller Sport, das muss man einfach mal gesehen haben!

 

Beim 1. FC Hersbruck drängen sich derzeit die Rugby-Höhepunkte: Nach dem „Altstadtfest-Siebener“ stehen am kommenden Samstag die besten deutschen Rugbyfrauen im Blickpunkt 

 

bei der „offenen Siebener-DM der Landesverbände“.

„Mister Rugby“ Alexander Michl ist damit der nächste Coup gelungen. Bislang wurde dieses 2013 eingeführte Kräftemessen der Auswahlmannschaften aus den deutsche Landesverbänden stets in Rugby-Hochburgen wie Berlin, Würzburg oder Heidelberg ausgetragen. Nun will der Vorsitzende des Vereins zur Förderung des Rugbysports im Nürnberger Land und Leiter der entsprechenden Abteilungen beim TV Lauf und 1.  FC Hersbruck damit kräftig die Werbetrommel rühren, um „seinen“ Sport hier noch populärer zu machen.

Tolle Entwicklung

„Rugby wächst in Hersbruck“, sagt der frühere Bundesligaspieler Michl, auch weil Sponsoren wie Florian Günther von der hiesigen Firma Investorenausbildung die im Frühjahr 2021 gegründete Abteilung unterstützen und die Verantwortlichen des 1. FC Hersbruck das Ihre dazu beitragen, diesen dynamischen, aber hierzulande vielerorts immer noch recht unbekannten Sport in der Cittaslow fest zu etablieren. So stehen im heuer komplett überarbeiteten Geru-Plast-Sportpark zum Beispiel an den Kopfseiten des ehemaligen B-Platzes der Eintracht inzwischen fest verankerte Rugbytore mit den charakteristischen, hoch aufragenden Malstangen.

Zwischen denen tummeln sich am Samstag, 3. September, ab 12 Uhr vier deutsche Top-Frauenauswahlmannschaften aus Baden Württemberg, Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen, gespickt mit zahlreichen Bundesliga- und Nationalmannschaftsspielerinnen. Die ursprünglich ebenfalls gemeldeten Teams aus Hessen und Thüringen haben kurzfristig abgesagt, unter anderem wegen etlicher Coroanafälle. Zudem fehlt die Auswahl aus Niedersachsen, bei der ersten Austragung der Landesverbandsmeisterschaft anno 2013 immerhin Zweite. „Möglicherweiser ist ihnen die Anfahrt zu weit“, sagt Michl, der die Rückzüge bedauert - bedeuten sie doch immer wieder Pausen zwischen den einzelnen Partien, weil sonst das ein oder andere Team gleich zweimal hintereinander für die 2 mal 7 Minuten im Modus „Jeder gegen jeden“ aufs Feld müsste.

Dennoch bekommen die Zuschauer in Hersbruck ein erlesenes Teilnehmerquartett zu sehen: Baden-Württemberg, dessen Auswahl sich vornehmlich aus Spielerinnen des 7er-Serienmeisters Heidelberger RK und dessen Lokalrivalen SC Neuenheim (vier Titel) rekrutiert, gewann den Wettbewerb 2021 zum insgesamt fünften Mal. Die bayerische Auswahl – in der neben Frauen vom Münchener RFC und dem Würzburger RK auch die ein oder andere Aktive vom TSV 1846 Nürnberg auflaufen dürfte – trug sich 2019 in die Siegerliste ein und stand 2021 im Finale. Und Nordrhein-Westfalen war bislang zweimal Vizemeister und dreimal Dritter.

Offensive im Vorteil

Auch die „kleine“, seit 2016 olympische, Spielart des Rugby – das Siebener-Rugby – trägt zur Attraktivität des Turniertages bei: Weitestgehend den selben klaren und vom Schiedsrichter immer konsequent durchgesetzten Regeln wie das „Original“ mit 15 Akteuren gehorchend, besticht diese 1883 vom schottischen Metzger Ned Haig als „Geldbeschaffungsmaßnahme“ für den Rugby-Union-Verein von Melrose erdachte Variante durch technisch anspruchsvolles Kombinationsspiel, deutlich höheres Tempo und viel mehr Punkte. Das vor allem, weil wegen der verringerten Spieleranzahl bei gleicher Platzgröße die Vorteile deutlich in den Händen der jeweils angreifenden Mannschaft liegen.

„Es ist angerichtet für das nächste Rugby-Fest in Hersbruck“, sagt Alexander Michl. Er hofft auf zahlreiche Zuschauer, zumal am Samstag ab 16 Uhr nebenan die „Club“-Fußballer zum Bezirksliga-Derby gegen den FC Ottensoos auflaufen. „Da darf der ein oder andere gerne ein bisschen früher kommen und seine Vorfreude mit einer Prise Rugby steigern“, sagt Michl mit einem Lächeln.

Für Essen und Trinken ist gesorgt; der Eintritt ist frei.

Alexander Michl

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